Wenn die meisten Menschen an Wespen denken, kommen ihnen
sofort die besonders ab Spätsommer oftmals lästigen,
schwarzgelben Besucher am Kaffeetisch, in Kuchentheken
beim Bäcker, beim Grillen oder sonstigem Aufenthalt im
Freien bei dem Essen oder süße Getränke eine Rolle
spielen, in den Sinn. Dabei handelt es sich in der Regel
um die Deutsche Wespe (Vespula
germanica) oder die Gemeine Wespe (Vespula
vulgaris). Beide Arten gehören zur Familie
der staatenbildenden Faltenwespen (diese Staaten bestehen aber immer
nur eine Saison, also etwa von April bis Oktober)
und dort zur Unterfamilie der Papierwespen.
Der Begriff Faltenwespen rührt daher, dass die Wespen
dieser Familie ihrer Flügel in Ruhe in Längsrichtung
zusammenfalten. Und jeder, der einmal ein Nest einer
Vertreterin der Papierwespen gesehen und vielleicht
sogar anfassen konnte, weiß, woher der Name Papierwespen
kommt. Diese Wespen bauen ihre aus vielen Waben
zusammengesetzten Nester aus einer Mischung von
Holzfasern und Speichel. Diese Mischung ergibt eine Art
Papier, dass aber sehr spröde und dadurch recht brüchig
ist.
Da die verschiedenen Arten der Papierwespen oftmals auf
bestimmte Holzfasern für den Nestbau spezialisiert sind,
kann man manchmal alleine an der Farbe (von Form und
Fundort einmal abgesehen) des "Papiers" eine Art
erkennen. Das wird schon bei den beiden zuvor genannten
Arten von Kurzkopfwesen deutlich. Beide nisten in etwa
an den gleichen Orten, mal unterirdisch (zum Beispiel in
verlassenen Mäusenestern oder Kaninchenbauten) oder
oberirdisch (zum Beispiel Rollladenkästen) - der Ort
muss nur dunkel und verborgen sein. Die Nester haben
auch die gleiche Form und können auch in etwa gleich
groß werden (in Ausnahmefällen bis einen Meter Breite -
was bei einer Volksstärke von bis zu 50000 Individuen /
Nachkommen pro Saison nicht wundert. Aber gleichzeitig
am Leben sind in so einem Riesenvolk höchstens 7000-7500
Tiere und das auch nur zum Höhepunkt eines solchen
Staates im Spätsommer, etwa ab September. Nun verwenden
diese beiden Arten aber unterschiedliche Holzfasern.
Während die Gemeine Wespe nur Fasern von morschem, meist
schon stark verrottetem Holz zur Papierherstellung
verwendet und das Nest dadurch eine schmutzig gelbliche
bis rötlichbraune, oft streifige Färbung, verwendet die
Deutsche Wespe stets festes, höchstens oberflächlich
verwittertes Holz - was ihr Nest immer grau erscheinen
lässt.
Wenn ein solches Volk nun seine maximale Stärke im
Spätsommer erreicht, wird eigentlich auch zugleich sein
Untergang eingeläutet. Denn näher der Herbst rückt,
desto knapper wird das Nahrungsangebot in Form von
Insekten (die fast ausschließlich der Fütterung der
Larven dienen) und Nektar, saftigem Obst, bzw. anderen
süßen Pflanzensäften (zur Ernährung der erwachsenen
Wespen). Das erklärt auch, warum diese Wespen im Laufe
eines Jahres immer "lästiger" werden können. Unsere
süßen Getränke und (Obst-)Kuchen, unser leckeres
Grillfleisch werden Mangels natürlicher Nahrungsquellen
immer begehrter. Dennoch verhungern nach und nach immer
mehr Tiere und auch die Larven bekommen irgendwann nicht
mehr genug Nahrung. Spätestens die ersten Fröste geben
dem nun schon geschwächten Volk den Rest. Lediglich die
im Hochsommer geschlüpften Jungköniginnen, die sich etwa
im September mit den dann geschlüpften Männchen verpaart
haben, überleben. Sie können sich, da sie nur für sich
selbst sorgen müssen, bis zum Winter ausreichende
Fettreserven zulegen und suchen sich bei zunehmend
widrigen Witterungsverhältnissen dann ein sicheres,
geschütztes Versteck, in dem sie überwintern können.
Dazu verfallen sie eine Art Winterschlaf. Im folgenden
Frühjahr gründen sie dann einen neuen Staat.
*
Eine andere Papierwespenart, die den meisten Menschen
zumindest vom Namen her sehr bekannt ist, ist die
Hornisse (Vespa
crabro). Ein für manche Menschen geradezu
furchteinflößender
Name, vom Zusammentreffen mit diesem Hautflügler einmal ganz
abgesehen. Es geistern ja seit Jahrzehnten wahre Horrorgeschichten über Hornissen durch
die Köpfe der Menschheit. Sie seien sehr angriffslustig,
aggressiv, greifen immer in Massen an und schon fünf
Stiche können einen Menschen töten - das ist nur einer
der vielen Irrglauben, die ich einmal las. Damit muss
einfach mal Schluss sein! Hornissen sind außerhalb ihres
Nestbereichs (etwa ein Umkreis von fünf Metern um das
Nest) geradezu friedfertige Tiere, werden niemals
"lästig" und um einen gesunden, erwachsenen Menschen zu
töten, sind schon eher Massenstiche von mehreren hundert
Individuen (das gilt auch für alle übrigen Wespen- und
Bienenarten) nötig. Als Ausnahme davon natürlich
Allergiker, Säuglinge oder, wenn Stiche im Hals- oder
Rachenbereich erfolgen - dann kann die einsetzende
Schwellung zur Erstickung führen. Das Gift der Hornisse
ist nicht stärker als das der anderen Wespenarten oder
der Honigbiene, nur meist schmerzhafter. Das liegt aber
einzig daran, dass der Stachel einer Hornisse länger ist
und somit in tiefere Hautschichten eindringen kann.
*
Eine andere Art aus dieser Familie, deren Nestgründung
am Haus vom Menschen viel eher wahrgenommen wird, als
die der Gemeinen oder Deutschen Wespe, ist, die zu den
Langkopfwespen gehörende, Sächsische Wespe (Dolichovespula
saxonica). Das liegt daran, dass sie ihre Nester nicht
im Verborgenen, Dunklen anlegt, sondern immer frei
sichtbar. Wespennester, die man freihängend auf
Dachböden findet oder unter Dachvorsprüngen an
Hausfassaden gehören fast immer zu dieser selten
aggressiven und lästig werdenden Art. Doch ihre Nester
sind es meist, die vom Menschen zerstört werden. Dolichovespula
saxonica habe ich bislang noch nicht finden können,
dafür aber
Dolichovespula
media, die Mittlere Wespe. Diese baut ihre nach
unten zugespitzten Nester in Gebüschen und ist allgemein nicht
häufig.
Alle anderen Arten, der etwa zwölf mitteleuropäische
Arten umfassenden sozialen (staatenbildenden)
Faltenwespen nisten nicht oder eher selten in Gebäuden,
viele nicht einmal im
Siedlungsbereich und sind niemals lästige Besucher (z.B.
Polistes
dominula) an
unseren Tischen und ihre Aggressivität beschränkt sich
meist auf den unmittelbaren Nestbereich. Ihre Nester
können unterirdisch angelegt oder frei an
Pflanzenstängeln oder Felsen befestigt sein und
erreichen niemals die Größe der zuvor genannten Arten.,
*
Allen gemeinsam ist ihre Nützlichkeit. Sie sind
unermüdliche Insektenjäger und erbeuten überwiegend
Fliegen aller Art für ihre Nachkommen. Für mich
erstaunlich war vor einigen Jahren die wiederholte
Beobachtung, das Wespen auch die Vorratskammern von
Netze bauenden Spinnen plündern - eine, wie ich heute
weiß, oft praktizierte Art der Nahrungsbeschaffung.
Auch Aas wird angenommen, das erklärt, warum Wespen auch
so gerne von unserem Steak etwas abhaben wollen. Größere und wehrhaftere Insekten kann dagegen nur die
Hornisse überwältigen. Vor ihrem Giftstachel und ihren
mächtigen Kieferzangen ist fast kein Insekt sicher, auch
Wespen, Wild- und Honigbienen und einige Spinnenarten
nicht. Natürlich richtet sich das Beutespektrum auch
nach dem Angebot ihres Lebensraums. So konnte ich die
letzten Jahre regelmäßig beobachten, dass die Hornissen
des Sandgebietes nahe der Startbahn-West des Frankfurter
Flughafens etwa ab Juli sehr häufig Jagd auf die dann
dort in großen Mengen vorkommenden
Blauflügeligen Ödlandschrecken und andere
Heuschrecken machen. Es kommt immer wieder vor, dass die
gut getarnten Ödlandschrecken von mir (oder anderen dort
herumlaufenden Menschen) bei dortigen Exkursionen
aufgeschreckt werden, ihre Tarnung durch Auffliegen
aufgeben und sogleich von einer in der Nähe
patrouillierenden Hornisse ergriffen, getötet und
zerteilt werden.
Zu den sozialen Faltenwespen werden auch noch sechs
Arten (zwei Langkopf-, eine Kurzkopf- und drei
Feldwespenkuckuckswespen) von Kuckuckswespen gezählt.
Über diese und deren Lebensweise habe ich aber keine
Kenntnisse.
2. Solitäre Faltenwespen
Unterfamilie Eumeninae (Lehmwespen)
Neben den wenigen sozialen Faltenwespenarten gibt es die
weit größere Gruppe der Einsiedler unter den
Faltenwespen - die Familie der solitären Faltenwespen.
In Mitteleuropa kommen etwa 82 Arten vor, die sich nicht
nur durch ihre solitäre, sondern auch durch ihre meist
spezialisierte Lebensweise. Dagegen bestehen rein
äußerlich einige Gemeinsamkeiten. Sie sind ebenfalls
schwarz-gelb gezeichnet, haben einen ähnlichen
Körperbau, natürlich die in Ruhe einmal längsgefalteten
Flügel und sie können (wenn auch zumeist nur in höchster
Not) schmerzhaft Zustechen.
Jede Art aus dieser Familie baut arttypische Nester. Es
gibt Arten, die dafür vorhandene Hohlräume (z.B. hohle
Pflanzenstängel, Käferfraßgänge in Holz, Bohrlöcher in
Wänden) nutzen, andere graben sowohl horizontale als
auch vertikale Erdnester und wieder andere bauen aus
einem Lehm(Erde)-Speichel-Gemisch kunstvolle Gebilde,
die an Felsen, Steine oder Pflanzen geheftet werden. Und
jede Art ist auf bestimmte Beuteinsekten für ihre
Nachkommenschaft spezialisiert - wohingegen die sozialen
Faltenwespen an ihre Brut tierisches Eiweiß jedweder
Herkunft verfüttern. Als Nahrung der erwachsenen Wespen
dienen aber ebenfalls nur Nektar und Pflanzensäfte.
Am häufigsten trifft man wohl auf die sich untereinander
sehr ähnelnden und schwer zu
bestimmenden Lehmwespen -
sie stellen die meisten Arten unter den solitären
Faltenwespen. Dennoch konnte ich bislang nur zwei Arten
fotografieren. Darunter befindet sich auch die wohl als
früheste im Jahr fliegende Lehmwespe
Ancistrocerus nigricornis. Sie fand ich 2008
schon am 08. Januar!! Bis dahin war mein frühester Fund
der 04. Februar 2007. Sie nistet meist in hohlen
Käferfraßgängen in Totholz. Für ihre Brut trägt sie
ausschließlich Raupen von Kleinschmetterlingen, die mit
einem Stich gelähmt werden, in die Brutkammern ein.
Andere, meist häufigere Arten sind zum Beispiel:
Ancistrocerus oviventris, die der
vorangegangen Art zum Verwechseln ähnlich sieht. Doch
wird man sie wohl selten vor Ende April antreffen. Der
deutlichste Unterschied zeigt sich jedoch in der
Nistweise. A. oviventris nistet nicht in Hohlräumen und
auch nicht in Holz. Sie errichtet in Vertiefungen von
zumeist Steinen oder Felsen kugelige Lehmnester, in
denen sich mehrere Brutkammern befinden. Somit besiedeln
beide Arten auch eher unterschiedliche Lebensräume.
Während A. nicricornis auf totholzreiche Gebiete wie
Waldränder, Hecken, Auenwälder oder auch Gärten
angewiesen ist, wird man A. oviventris eher in Sand-
oder Kiesgruben und steinigen, felsigen, offenen
Gebieten antreffen. Auch der eingetragene Larvenproviant
unterscheidet sich, diese Art macht dafür ausschließlich
jagt auf Blatt- und Rüsselkäferlarven.
*
Odynerus spinipes und die etwas seltenere
Odynerus reniformis sind ebenfalls am
ehesten über ihre Nester zu bestimmen. Beide Arten
besiedeln in etwa die gleichen Lebensräume, die lehmige,
lößhaltige oder auch sandige Steilwände beinhalten
müssen - also Abbruchkanten von Hängen, Sandgruben,
Hohlwege oder auch Steilufer von Seen, Bächen oder
Flüssen. Beide leben zwar solitär, bilden aber an
geeigneten Nistplätzen oft größere Kolonien - diese sind
durch die vielen, nach unten gebogenen, henkelartigen
Röhren (die Arten dieser Gattung haben auch den
deutschen Beinamen "Schornsteinwespen") vor den
Nisteingängen leicht kenntlich. Die Röhren entstehen
beim Graben (dazu weicht sie den zu festen Lehm oder Löß
mit herbeigeschafftem Wasser etwas auf) der Brutkammer
in der Steilwand. Das dabei anfallende, feuchte Material
wird am Eingang der eigentlichen Niströhre zu diesem
Gebilde geformt. Die "Henkel" von O. spinipes sind etwas
löchrig, die von O. reniformis dagegen eher dicht und
kompakt. Beide Arten tragen in die Brutkammern
Rüsselkäferlarven ein.
*
Es gibt, wie erwähnt noch viele weitere, sich zum
Verwechseln ähnliche Gattungen (z.B. Symmorphus) und
Arten. Doch von diesen genannten Arten deutlich zu
unterscheiden sind die so genannten Pillen- oder
Töpferwespen der Gattung Eumenes. Sie haben einen mehr
stielartigen, kugelförmig endenden Hinterleib und haben
in der Färbung meist weniger Gelbanteile. Die Arten der
Gattung Eumenes bauen alle kunstvolle Brutzellen aus
Lehm und / oder Sand her, die häufig an winzige Amphoren
erinnern, die, je nach Art, an Steine, Holz oder dünne
Pflanzenstängel geklebt werden. Ein weiterer Unterschied
besteht darin, dass ihre Nester immer nur aus je
einer Brutzelle bestehen.
Als Futtervorrat tragen alle
Eumenes-Arten Raupen ein - meist von Spannern, seltener
auch anderer Kleinschmetterlinge. Die einzelnen Arten dieser
Gattung lassen sich meist nicht sicher am Foto bestimmen, man
benötigt in der Regel ein Belegexemplar.
*
Eine Sonderstellung unter den solitären Faltenwespen, im
Grunde sogar aller Wespenfamilien, haben die Honigwespen
inne. In Deutschland kommt nur eine Art (Celonites
abbreviatus) vor, und deren Vorkommen beschränkt
sich auf besonders wärmebegünstigte Regionen wie
Kaiserstuhl, Schwäbische Alb oder kleine Areale in
Thüringen. Die Art gilt in Deutschland als vom
Aussterben bedroht. Die Besonderheit, in der sich ihre
Sonderstellung begründet, ist der Umstand, dass sie ihre
Nachkommen mit einer Art Honig verproviantiert. Das
macht keine andere Wespe. Dieser Honig besteht aus einem
Gemisch aus Pollen und Nektar. Beim Blütenbesuch
(zumeist Blüten mit frei herausstehenden Staubgefäßen)
pudert sich die Honigwespe durch Reibung ihres Kopfes an
den Staubgefäßen mit Pollen ein, den sie dann mit ihren
Vorderbeinen zur Mundöffnung wischt und so
herunterschlucken und in ihrem Kropf sammeln kann. Mit
ihrem verhältnismäßig langen Saugrüssel nimmt sie
zusätzlich auch Nektar auf, der sich dann im Kropf mit
dem Pollen vermischt. Dieser "Honig" wird dann in die
röhrenförmigen Brutzellen, die sie, oft zu mehreren
nebeneinander, meist an besonnte Steine, Felsen oder
seltener auch Pflanzenstängel heftet, eingebracht.
Hier
geht es zurück zum Vorwort
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Hier geht es zu Teil 2 - Grabwespen (Pompilidae)
Hier geht es zu
Teil 3 - Wegwespen (Sphecidae)
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Hier geht es zu Teil 4 -
Schlupfwespen u.a. (Terebrantes)
Hier geht es zu
Teil 5 - Pflanzenwespen (Symphyta)
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Hier geht es zu Teil 6 -Schmarotzende Solitärwespen
(Goldwespen u.a.)