Letzte Aktualisierung: 12. April 2020 06:14 |
Wie die Medien die Menschen mit
Fehlinformationen über Wildbienen versorgen und der Handel Profit
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Die Bienen und ihr Sterben sind
in aller Munde. Dies wird derzeit sowohl medial als auch kommerziell
ausgeweidet. Vergessen wird dabei immer, zwischen dem Nutztier
Honigbiene und den heimischen Wildbienen zu unterscheiden. Es
handelt sich nämlich um zwei völlig verschiedene Themenfelder.
Honigbienen sind Staaten bildende Insekten, deren Vorratshaltung
(der Honig) vom Menschen schon lange genutzt wird. "Wildbienen" sind
überwiegend solitär lebende Bienen (Ausnahmen: Hummeln und einige
primitiv-eusozial lebende Arten aus der Familie der
Schmal- und
Furchenbienen), die keinen Honig produzieren. Dennoch haben auch sie
für den Menschen einen hohen Nutzen. Ihre Bestäubungsleistung ist
rund doppelt so hoch wie die der Honigbiene. Dieser Artikel soll etwas Licht in die mediale Desinformation und das kommerzielle Ausschlachten der Unwissenheit hilfsbereiter Menschen bringen. Mit dem Leid der heimischen Wildbienen wird momentan groß Kasse gemacht, ohne dass dabei tatsächlich den Wildbienen geholfen wird. 1.1 Wildbienen Unseren heimischen Wildbienen geht es schlecht. Nur etwa 37% der rund 562 heimischen Wildbienenarten gelten nach der Roten Liste der bedrohten Tiere Deutschlands als ungefährdet. Viele Wildbienenarten gelten als extrem selten oder stark gefährdet.
Die Gründe hierfür sind
vielfältig und noch nicht abschließend geklärt. Mehrere Einflüsse
kommen zusammen. Allen voran der Verlust an Lebensräumen durch die
Intensivierung von Landwirtschaft und Bebauung. Dies führt nicht nur
zu einem Verlust an Nahrungspflanzen, sondern verringert auch das
Nistplatzangebot.
Ein weiterer Faktor ist noch
nicht lange bekannt und erfordert weiterer Untersuchungen. Bei
Schwenninger (2015) heißt es: „Als Ursache für den starken Rückgang
der Wildbienen werden neuerdings auch exotische, hoch ansteckende
Krankheitserreger verantwortlich gemacht, welche von den Honigbienen
und kommerziell gezüchteten Hummelvölkern eingeschleppt werden
(FÜRST et. al. 2014). So zeigen Untersuchungen, dass durch
gezüchtete Hummelvölker, in erster Linie aber durch Honigbienen,
Krankheitserreger wie Viren, Protozoen, Pilze, Spiroplasmen etc. auf
Wildbienen übertragen werden (SINGH et. al. 2010; GRAYSTOCK et. al.
2013; FÜRST et. al. 2014; RAVOET et. al. 2014). Zum Schutz der wild
lebenden Arten empfehlen WILLIAMS & OSBORNE bereits 2009, auf einen
Versand von Hummeln zur kommerziellen Bestäubung zu verzichten. Unsere heimischen Wildbienen sind zu einem großen Teil Spezialisten. Viele von ihnen können nur bestimmte Blütenpflanzen für ihre Brutzellen nutzen. Manchmal nutzen sie nur die Pflanzen aus einer Familie, andere sind noch weiter spezialisiert und nutzen nur die Pflanzen einer bestimmten Gattung. Hier zwei Beispiele dafür: Andrena agilissima (Scopoli 1770), die Senf-Blauschillersandbiene ist eine Art, die Pollen nur an Pflanzen der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae) sammelt. Andrena florea Fabricius, 1793, die Zaunrüben-Sandbiene sammelt Pollen nur an Zaunrübe. Davon gibt es in Deutschland zwei Arten: Bryonia dioica & B. alba. Die Zaunrüben-Sandbiene ist somit eine streng oligolektische bzw. monolektische Art (also an Pflanzen einer bestimmten Gattung bzw. Art gebunden), die ohne diese Pflanzen nicht überleben kann. Die Zaunrüben-Sandbiene war „Wildbiene des Jahres 2015“. Dann gibt es noch Spezialisierungen im Hinblick auf den Nistplatz. Die Mehrheit der heimischen Wildbienenarten nistet im Boden. Einige benötigen sandige Böden, andere eher lehmige und wieder andere stellen an die Beschaffenheit der Böden keine großen Ansprüche. Von diesen Bodennistern sind wiederum einige Arten auf Steilwände oder zumindest stärker geneigte Flächen angewiesen. Eine andere Gruppe nistet in Hohlräumen. Auch hier gibt es Spezialisten. Es gibt Arten, die vorhandene Hohlräume nutzen, andere, die sich ihren Hohlraum selbst schaffen. Als Hohlräume dienen einigen Arten alte Käferfraßgänge in Holz, Löcher und Spalten in Felsen und Mauern. Schneckenhäuser dienen bestimmten Wildbienenarten als einzige Nistmöglichkeit. Diverse Arten benötigen markhaltige Pflanzenstängel, da sie das Mark für den Nestbau verwenden. Man sieht, Wildbienen stellen zu einem großen Teil hohe Ansprüche an ihre Lebensräume.
1.2 Honigbienen Was sind Honigbienen? . Honigbienen sind in erster Linie Nutztiere. Werner David hat das auf der sehr lesenswerten Internetseite http://www.naturgartenfreude.de/wildbienen/honigbiene-versus-wildbiene/ treffend formuliert: Die einheimische Dunkle Honigbiene (Apis mellifera mellifera) ist heute in Deutschland ausgestorben. Wenn wir also von „unserer“ Honigbiene sprechen, meinen wir damit importierte, vielfach gekreuzten Hochzuchtrassen aus verschiedenen Ländern, die genauso wenig natürlicher Bestandteil unserer Fauna sind wie eine preisgekrönte Hochleistungsmilchkuh. Honigbienen sind nicht auf bestimmte Blütenpflanzen spezialisiert. Sie können fast alle Nektar- und Pollenquellen nutzen, auch exotische.
2. Wildbienenhotels
Kommen wir nun zum ersten Teil,
wie Hersteller und Handel die Unwissenheit vieler hilfsbereiter
Menschen für ihren Profit ausnutzen. Grundsätzlich würden in diese Wildbienennisthilfen, sofern fachgerecht hergestellt, nur ein paar wenige Hohlraumnister unter den Wildbienen einziehen. Allen voran die beiden Mauerbienenarten Osmia cornuta und Osmia bicornis. Des Weiteren, sofern auch ein Angebot von Hohlräumen mit geringerem Durchmesser vorhanden ist, auch manche Maskenbienen. Insgesamt hilft solch ein „Hotel“, je nach Standort, nur 2 bis vielleicht 10 Arten. Und diese Arten sind in der Regel in ihren Beständen nicht gefährdet. Sie finden auch ohne "Hotel" genug Nistplätze. Über Naturspaziergang erreichen mich häufig Fragen, warum in diese „Hotels“ kaum eine Biene einzieht. Also betrachten wir uns diese Modelle mal etwas genauer. Das Fazit solch einer Betrachtung ist niederschmetternd. 1) Die Bambusröhrchen sind falsch gesägt (die Knoten, die natürlicherweise die Bambusstangen unterteilen und innen verschließen) sind oftmals direkt vorn am Einflugloch oder zumindest nicht am Ende. Das verkleinert den häufig sowieso zu kurzen Hohlraum (teilweise sind die Bambusröhrchen nur drei Zentimeter lang.)
Natürlich darf in solchen Nisthilfen auch das Fach mit Koniferenzapfen nicht fehlen. Für was das gut sein soll, erschließt sich nicht. Wildbienen können damit überhaupt nichts anfangen. Auch andere Insekten werden eher Kopfschüttelnd davor verweilen (wenn sie es könnten). Dann gibt es oftmals ein Fach für Schmetterlinge. Diese sollen durch einen Schlitz in ein kleines Fach klettern und darin überwintern – oder, so teilweise angepriesen – bei schlechtem Wetter einen Unterschlupf finden. Nun, in Deutschland kommen nur drei Arten von Tagfaltern vor, die rein theoretisch solch einen Überwinterungsplatz bräuchten: das Tagpfauenauge, der Kleine Fuchs und der Admiral. Allerdings würden sie nicht durch diesen kleinen Spalt ins Innere schlüpfen. Zu eng. Das Fach ist völlig wertlos. Manchmal gibt es auch ein Fach mit Stroh oder Heu. Keine Wildbiene weiß damit etwas anzufangen. Andere Insekten vielleicht. Doch die finden auch in der Landschaft genügend und bessere Verstecke. Ist es tatsächlich bloß Unwissenheit, die bei Handel und Herstellern zum Angebot dieser wertlosen und oft überteuerten „Wildbienenhotels“ führt? Ich wage es zu bezweifeln. Die Gewinnspanne ist einfach zu verlockend. Mein Rat: Lassen Sie die Finger von "Nisthilfen" in Gartencentern, Baumärkten, Supermärkten etc. Kaum eines der dort angebotenen Modelle ist geeignet, etwas gegen das Sterben von Wildbienen auszurichten. Sparen Sie sich das Geld. Sprechen Sie die Händler lieber auf die Konstruktionsfehler an. Sie selber zu bauen ist nicht schwer, dafür aber kostengünstig und nützlich für die Wildbienen. Gute Anleitungen finden Sie auf diversen Internetseiten. "Wildbienenhotels" helfen dem Gros der Wildbienen nicht. Sie haben höchstens einen pädagogischen Wert. Viel wichtiger ist es, den im Erdreich nistenden Wildbienen zu helfen. Anleitung dazu gibt es bei www.wildbee.ch.
3. Samen und Pflanzen Der zweite Teil des profitablen Geschäfts mit den Wildbienen.
Wie oben schon erwähnt, benötigen
Wildbienen eine Vielfalt von Blütenpflanzen. Auch Städte und Kommunen legen sich ins Zeug, etwas für „Bienen“ zu tun. Auch hier ist der Begriff nicht genauer definiert. Schaut man sich die angesäten Blühstreifen dann genauer an, sieht man vor allem Arten wie Phacelia (Büschelschön) und andere fremdländische Pflanzen. Somit ist klar, gemeint sind Honigbienen. Diese mit exotischen Pflanzen bewachsenen Streifen, gerne an Ackerrändern, sind zwar hübsch anzuschauen und schön bunt. Aber sie schaden oder helfen bestenfalls nur sehr begrenzt den heimischen Wildbienen. Und: Die wichtigen heimischen Pflanzen, auf die viele Wildbienenarten spezialisiert sind, werden durch diese Ansaaten verdrängt. Das Nahrungsangebot für unsere heimischen Wildbienen wird immer knapper.
Tipps:
4. Medien Die Medien spielen in der heutigen Zeit eine sehr wichtige Rolle. Was hier propagiert wird, erringt schnell den Status des Allgemeinguts. Zahlreiche Artikel und Fernsehsendungen behandeln das Thema „Bienensterben“. Auch hier wird „die Biene“ nicht näher definiert. Im Vordergrund steht aber gemeinhin die Honigbiene. Das Artensterben der Wildbienen wird höchstens am Rande erwähnt. Oft stehen dann Imker Rede und Antwort, klagen ihr Leid und geben Tipps, wie man "den Bienen“ helfen kann. Gemeint sind wieder die Honigbienen. Ein Negativbeispiel war im April 2016 die „Mitmachaktion Bienenparadies - Jetzt Bienen retten!“ des SWR in der Sendereihe „Kaffee oder Tee“. Wieder die schwammige Bezeichnung „Biene“. Im Rahmen der Aktion wurden Samentütchen verteilt. Ein Zitat dazu von der Webseite des SWR: „Mit einer speziellen Saatgutmischung können Sie im Garten oder auf dem Balkon dafür sorgen, dass es den heimischen Bienen im Sommer 2016 richtig gut geht.“ 100 000m2 Fläche, etwa die Größe von 14 Fußballfeldern, sollte begrünt werden. Las man das Inhaltsverzeichnis der Samentütchen an, fand man vornweg „Phacelia, Borretsch, Buchweizen, Sonnenblumen. Zudem noch ein wenig Natternkopf, Mohnblume und Kornblume. Bis auf die drei letztgenannten Arten allesamt Exoten und typische Trachtpflanzen für Honigbienen. Natternkopf, Mohnblume und Kornblume sind zwar theoretisch heimische Pflanzen aber nicht sehr konkurrenzstark und können sich nicht lange gegen die Exoten durchsetzen. Diese Arten werden auf den Flächen, auf denen sie laut Idee der Aktion ausgebracht werden sollen (im Siedlungsbereich, auf Brachflächen) oftmals kaum angehen, da die Standorte ungeeignet sind. Und auf Brachen ist das Ganze besonders kritisch zu sehen. Brachen sind heutzutage oft das letzte Rückzugsgebiet für heimische Wildkräuter („Unkräuter“) und Wildbienen. Diese werden durch solche honigbienenfreundlichen Samenmischungen verdrängt. Im Internetauftritt und den Sendungen zu dieser SWR-Aktion fanden sich viele Informationen zu Honigbienen. Vor allem Imker hatten das Wort. Wildbienen spielten nur eine untergeordnete Rolle, Wildbienenexperten waren meines Wissens gar nicht einbezogen und wurden offensichtlich auch im Vorfeld der Aktion nicht um Rat gefragt. Darum hätte die Aktion richtigerweise „Honigbienenparadies – jetzt Honigbienen retten“ heißen müssen. Aber das hätte vielleicht nicht so viele Zuschauer mobilisiert. Genauso, wie sich ja auch kaum jemand bereit erklären würde, seinen Garten zu opfern, wenn die Aktion hieße „Mehr Weideflächen für Kühe – stellen Sie ihren Garten zur Verfügung“.
5. Meine Forderungen
© Andreas Haselböck, 24.
April 2016 |
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Stand: 12. April 2020 |